- Venus: Die unwirtliche kleine Schwester der Erde
- Venus: Die unwirtliche kleine Schwester der ErdeDie Venus ist nicht nur der Planet des Sonnensystems, dessen Umlaufbahn der Erdbahn am nächsten liegt, sondern auch von ihrer Größe und Zusammensetzung her der Erde am ähnlichsten. Frühere Vorstellungen von exotischen Dschungeln mit unbekannten Tieren auf der Venusoberfläche wurden jedoch von zahlreichen Raumsonden widerlegt, die seit den 1960er-Jahren ein ganz anderes Bild der Venus haben entstehen lassen. Sie zeigen, dass die vermeintliche Ähnlichkeit der Erde und ihrer »kleinen Schwester« Venus bestenfalls oberflächlich ist, denn die Atmosphäre der Venus besitzt extrem hohe Drücke und Temperaturen, wodurch jegliches Leben, wie wir es kennen, unmöglich wird. Auch geologische Prozesse verlaufen auf der Venus anders als auf der Erde; es gibt zwar ebenfalls ein Nebeneinander von vulkanisch aktiven und passiven Regionen, jedoch fehlt der für die Entwicklung der Erdatmosphäre wichtige Mechanismus der Plattentektonik auf der Venus offenbar völlig. Trotz des großen seit den ersten Venussonden angesammelten Wissens sind noch zahlreiche Fragen offen geblieben, es wurden auch noch keine Bodenproben von der Venusoberfläche auf die Erde gebracht.Die Venus als PlanetDie Venus ist den meisten Menschen als Abend- und Morgenstern bekannt. Der Grund hierfür liegt darin, dass sie sich als innerer, also innerhalb der Erdbahn kreisender Planet nie mehr als 47º von der Sonne am Himmel entfernen kann. Sie geht daher maximal drei Stunden vor Sonnenaufgang auf oder drei Stunden nach Sonnenuntergang unter, je nachdem, auf welcher Seite der Sonne sie gerade am Himmel steht. Da sie einerseits — nach dem Mond — der Himmelskörper ist, welcher der Erde am nächsten kommen kann, und andererseits aufgrund ihrer dichten Wolkenhülle das höchste Rückstrahlvermögen (Albedo) aller Planeten besitzt, ist sie nach Sonne und Mond der mit Abstand hellste Himmelskörper und kann bei guten Sichtbedingungen sogar noch vor Sonnenuntergang beziehungsweise nach Sonnenaufgang beobachtet werden.Die Rotationsachse der Venus ist um etwa 170º gegen die Bahnebene geneigt, im Vergleich zu den anderen Planeten steht Venus sozusagen auf dem Kopf, dies bedeutet, dass Venus — neben Uranus — der einzige Planet ist, der gegenläufig, also von Ost nach West rotiert. Diese Rotation erfolgt allerdings äußerst langsam, ein Venustag dauert 243 Erdtage. Dies ist sogar länger als die Zeit, die Venus für einen Sonnenumlauf benötigt: Ein Venusjahr dauert gerade einmal 224 Tage. Im Gegensatz zur langsamen Rotation des Planeten rotieren die Wolkenschichten der Venus in etwa vier Tagen um die Venus, und zwar gegen deren Rotationsrichtung.Wegen der hohen Drücke und Temperaturen (an der Oberfläche herrschen etwa 90facher Atmosphärendruck und 450 Grad Celsius) in der Venusatmosphäre kommt auf der Venus kein freies Wasser vor, jegliche Form von Leben ist unmöglich. An sich hat die Venus unter allen anderen Planeten neben der Erde die besten Voraussetzungen dafür: Sie befindet sich in der bewohnbaren Zone, in der die von der Sonne eingestrahlte Energie ausreicht, um freies Wasser zu erzeugen. Zudem ist sie mit einem Durchmesser von etwa 12 100 Kilometern nur wenig kleiner als die Erde und besitzt eine nur geringfügig geringere Dichte. Die Schwerebeschleunigung ist damit auf der Venus nur unwesentlich geringer als auf der Erde, auf der sich flüssiges Wasser seit Jahrmilliarden halten konnte.Die Venus besitzt kein nennenswertes Magnetfeld. Dies erklärt sich aus ihrer langsamen Eigenrotation — das Erdmagnetfeld entsteht nach heutigem Kenntnisstand wie in einem gigantischen Dynamo durch rotierende Strömungen im glutflüssigen Erdinneren, die von der viel schnelleren Erdrotation angetrieben werden. Das von den Sonden entdeckte schwache Magnetfeld beruht auf einer Wechselwirkung des Sonnenwinds mit der Venusatmosphäre.Die Erforschung des NachbarplanetenDie Ähnlichkeit mit der Erde zusammen mit der für optische Teleskope undurchdringlichen Wolkendecke gab bis vor einigen Jahrzehnten Anlass zu Spekulationen, denen zufolge die Venus mit einem urzeitlichen Dschungel bedeckt sein könnte, durch den exotische Tierarten streifen. Diesen Fantasien wurde Anfang der 1960er-Jahre mit den Messungen der Raumsonden Venera 1 und Mariner 2 sowie 1967 mit dem Eintauchen von Venera 4 in die Venusatmosphäre ein jähes Ende gesetzt. Aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen entstand das heutige Bild der extremen Klimabedingungen auf der Venus. Insgesamt wurde die Venus bis 1999 von 22 Raumsonden besucht, die teilweise wie Mariner 10 nur an der Venus vorbeizogen, teilweise ausschließlich der Erforschung der Venus gewidmet waren; zuletzt die amerikanische Raumsonde Magellan. Mehrere dieser Raumsonden trugen Radargeräte an Bord, welche eine beinahe vollständige Kartierung der Venusoberfläche ermöglichten.VorbeiflügeDie Ergebnisse der ersten erfolgreichen Missionen zur Venus bewirkten, dass nicht nur weitere Venussonden konzipiert wurden, sondern auch andere Missionen, deren Weg an der Venus vorbeiführte, zur Erforschung ihrer Atmosphäre und Oberfläche genutzt wurden. Beispiele hierfür sind Mariner 10 auf ihrem Weg zum Merkur, Galileo auf dem Weg zum Jupiter sowie Cassini auf dem Weg zum Saturn. Sie passierten die Venus in geringer Entfernung, um sich so zusätzlichen Schwung auf dem Weg in die Tiefe des Sonnensystems zu holen. Dabei nutzten die Ingenieure der NASA die Vorbeiflüge nicht nur, um die Instrumente zu testen, sondern auch, um neue Daten über die Venus zu gewinnen.Landungen auf der VenusEine Reihe von Raumsonden war ausschließlich der Erforschung der Venus gewidmet. So sandten Venera 2 und Mariner 2 die ersten Daten über die Venus zur Erde zurück, und Venera 4 war die erste Raumsonde überhaupt, die auf einem Planeten niederging, wobei sie während des Abstiegs Messdaten aus der Venusatmosphäre zur Erde funkte. Venera 9 und 10 gelangen schließlich 1975 die ersten Bilder der Venusoberfläche, ein Erfolg, der nur noch 1982 durch Venera 13 und Venera 14 wiederholt werden konnte. Aufgrund der extremen Temperaturen stellten die Sonden allerdings schon nach etwa einer Stunde ihre Arbeit ein.RadarerkundungDie amerikanischen Sonden Pioneer 12 (die später als Pioneer-Venus 1 bezeichnet wurde) sowie Pioneer-Venus 2 erkundeten Ende der 1970er-Jahre als amerikanische Messplattformen die Gestalt der Venus. Pioneer-Venus 1 erreichte den Planeten im Dezember 1978. Sie war mit einem Radargerät ausgestattet und lieferte erste detaillierte Radarkarten. Darüber hinaus lieferte sie Ultraviolettaufnahmen der Wolkenschichten und untersuchte das äußerst schwache Magnetfeld der Venus sowie dessen Wechselwirkung mit dem Sonnenwind (elektrisch geladenen Teilchen, die ständig von der Sonne abströmen). Die Sonde befand sich auf einer extrem elliptischen Umlaufbahn um die Venus, auf der sie immer wieder in die unmittelbare Nähe des Planeten gelangte. Sie blieb bis 1992 funktionsfähig und wurde dann abgeschaltet.Pioneer-Venus 2 erreichte den Planeten nur wenige Tage später. Sie trug vier Landekapseln an Bord, die an verschiedenen Stellen in die Atmosphäre eintauchten, um dort Daten über den Druck- und Temperaturverlauf zu liefern. Von ihnen blieb eine auch nach dem Aufschlagen auf dem Boden funktionsfähig und lieferte beinahe eine Stunde lang Daten. Die Sonde selbst diente in erster Linie nur als Trägerschiff für diese vier Landekapseln und wurde schließlich in die Atmosphäre gesteuert, um dort Messungen vorzunehmen.Fast ausschließlich zur Radarkartierung der Venusoberfläche diente die Sonde Magellan. Diese kam im Sommer 1990 beim Planeten an und begann bald darauf mit der Radarkartierung der Venusoberfläche, wobei noch Details von etwa 100 Meter Durchmesser aufgelöst wurden. Diese Radarkarten, die etwa 90 % der Planetenoberfläche erfassten, sind genauer als alle anderen vorher durchgeführten Venuserkundungen und stellen daher die Basis der aktuellen Arbeiten zur Geologie der Venusoberfläche dar. Gegen Ende ihrer Lebenszeit wurde Magellan auf eine enge und fast kreisförmige Umlaufbahn um die Venus gelenkt. Dabei wurden durch Dichteunterschiede am Venusboden und damit verbundene lokale Unterschiede in der Anziehungskraft Geschwindigkeitsschwankungen des Satelliten hervorgerufen, aus denen die Planetologen weitere Hinweise auf die Vorgänge gewonnen haben, welche die Venus formten und formen.Die Atmosphäre der VenusDie verschiedenen Raumsonden konnten zeigen, dass die Venusatmosphäre zum größten Teil, nämlich zu 96 %, aus Kohlendioxid besteht. Etwa 3,5 % entfallen auf Stickstoff, den Rest bilden Spuren von Wasser, Schwefelverbindungen, Kohlenmonoxid, Salzsäure, Flusssäure (HF), Phosphor und Edelgasen. In einer Zone zwischen etwa 45 und 70 Kilometer Höhe befinden sich drei übereinander liegende Wolkenschichten, die zum größten Teil aus Schwefelsäure bestehen. Über diesen liegt in etwa 90 Kilometer Höhe eine Dunstschicht. Diese Wolken und der Dunst verhindern, dass die Venusoberfläche mit optischen Teleskopen beobachtet werden kann. Allerdings ist der Dunst im Ultraviolettbereich teilweise durchsichtig und gibt den Blick auf die oberen der darunter liegenden Wolkenschichten frei.Innerhalb der Venusatmosphäre existiert auf der Tagseite eine Schichtung ähnlich wie in der Erdatmosphäre, jedoch besteht sie nur aus zwei Schichten, einer unteren Troposphäre und einer oberen Thermosphäre (auf der Nachtseite gibt es keine Thermosphäre, der Übergang zwischen beiden Hemisphären erfolgt abrupt). Innerhalb der Thermosphäre nehmen Druck und Temperatur mit sinkender Höhe nur allmählich zu. Beim Übergang zur Troposphäre, der in etwa 45 Kilometer Höhe erfolgt — fast dreimal so hoch wie in der Erdatmosphäre —, steigt der Druck dann sprunghaft an, während die Temperaturkurve weiterhin langsam anwächst. Die Windgeschwindigkeiten sinken jedoch in den unteren Schichten beinahe bis auf null ab. Die scheinbar schwachen »Luft«-Bewegungen am Boden entwickeln aufgrund des hohen Drucks jedoch eine Kraft, die einer Windstärke von vier bis fünf auf der Erde entspricht.Treibhauseffekt auf Erde und VenusAngesichts der Diskussion um anthropogene (vom Menschen verursachte) Klimaänderungen ist es von großem Interesse, die Klimageschichte der Venus zu verstehen. Es gibt auf der Erde einen natürlichen Treibhauseffekt, der darauf beruht, dass Gase wie Kohlendioxid oder auch Wasserdampf Sonnenlicht auf die Erde gelangen lassen, jedoch die von der Erde abgegebene langwelligere Strahlung absorbieren, was wie in einem Gewächshaus zu einem »Wärmestau« führt. Dadurch steigt die Temperatur auf der Erdoberfläche um 33 Grad (ohne den Treibhauseffekt betrüge die globale bodennahe Lufttemperatur statt +15 nur —18 Grad Celsius!). Die vom Menschen seit Beginn der Industrialisierung hervorgerufene Erhöhung des Gehaltes an Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Erdatmosphäre verstärkt diesen Effekt und wird mittelfristig zu einer weiteren mittleren Erwärmung um einige Grad führen.Ganz anders liegen die Verhältnisse auf der Venus: Während die Erdatmosphäre weniger als ein halbes Promille Kohlendioxid enthält, besteht die Atmosphäre der Venus, wie gesagt, zu 96 % aus Kohlendioxid. Daher hat der Treibhauseffekt auf der Venus ungleich gravierendere Folgen: Die Temperaturen erreichen am Boden 450 Grad Celsius — bei dieser Hitze schmilzt Blei und Gestein glüht. Außerdem beträgt der Atmosphärendruck an der Planetenoberfläche das 90fache des irdischen Luftdrucks. Dies rührt von der Tatsache her, dass die Venusatmosphäre 90-mal mehr Masse enthält als die Erdatmosphäre. Dieser Überschuss besteht fast ausschließlich aus dem hohen Kohlendioxidbestand der Atmosphäre, die absolute Menge an Stickstoff ist auf beiden Planeten gleich. Auch die absolute Menge an Kohlendioxid, die sich insgesamt auf der Venus befindet, entspricht dem gesamten Kohlendioxidgehalt der Erde, nur ist das Kohlendioxid auf der Erde fast vollständig in den Ozeanen gelöst oder in Gesteinen gebunden. Dies ist eine Folge der Entstehung des Lebens, genauer der Photosyntheseleistung der Pflanzen.Es liegt nahe, den gesamten Treibhauseffekt auf der Venus auf die hohe Konzentration von Kohlendioxid zurückzuführen, dennoch reicht sie nicht für eine vollständige Erklärung des Effekts, vielmehr verstärken Wasserdampf, Wolken, Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid den Effekt erheblich. Die Brisanz dieser Befunde für die Klimaentwicklung auf der Erde ergibt sich aus Hinweisen auf Rückkopplungsmechanismen, nach denen sich aus einem erdähnlichen Klima durch Verstärkung von anfänglich kleinen Abweichungen ein Klima wie auf der Venus entwickeln könnte.Die Entstehung des VenusklimasWie es genau zu den Verhältnissen in der Venusatmosphäre kommen konnte, ist nicht bekannt. Es existieren verschiedene Erklärungsversuche, von denen hier zunächst zwei vorgestellt werden sollen. Im »nassen Treibhausmodell« wird vorausgesetzt, dass die Venus ähnlich wie die Erde entstand und zu Beginn ebenfalls mit freiem Wasser bedeckt war. Aufgrund der im Mittel etwa doppelt so hohen Sonneneinstrahlung (im Vergleich zur Erde) waren auch die Temperaturen und die Verdunstungsrate höher. Zudem lag nach diesem Modell in der Atmosphäre ein höheres Verhältnis von Kohlendioxid zu Wasserdampf vor. Der Wasserdampf wurde durch die UV-Strahlung in der oberen Atmosphäre zu Wasserstoff und Sauerstoff zersetzt, sodass der Wasserstoff allmählich in den Weltraum entweichen konnte. Der Sauerstoff wurde dagegen in Form von Oxiden im Boden gebunden. Insgesamt führte dies dazu, dass die Venus allmählich austrocknete und der Anteil an Kohlendioxid in der Atmosphäre immer mehr anwuchs.Im Gegensatz dazu geht das »Run-away-Treibhausmodell« davon aus, dass die Venus seit ihrer Entstehung zu heiß war, um freies Wasser zu ermöglichen. Der Wasserdampf konnte daher nie kondensieren und blieb als Gas in der Atmosphäre. Dort wurde er, wie im erstgenannten Modell, durch die Sonnenstrahlung zersetzt, das dabei entstandene Wasserstoffgas entwich in den Weltraum.Beide Modelle leiden darunter, dass über die geologische Frühgeschichte der Venus bisher nur sehr wenig bekannt ist. Zudem gibt es Anzeichen, dass die Sonne in ihrer Jugend um etwa 30 % schwächer strahlte als heute, wodurch auch die Temperaturen auf der jungen Venus niedriger waren, als in den Modellen vorausgesetzt wird. Ein anderes Problem, mit dem beide Modelle konfrontiert sind, ist der Wassernachschub. Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Erde ständig von winzigen Kometen getroffen wird, die jeweils einige Tonnen Wasser in der oberen Atmosphäre deponieren. Falls sich diese Beobachtungen bestätigen, sollte das Gleiche für die Venus gelten; dann stehen die Wissenschaftler vor der Frage, wieso sich auf der Venus trotz eines ständigen Nachschubs an Wasser keine Spuren davon finden lassen.Geologie der VenusEinige Antworten auf die Klimageschichte erhoffen sich die Wissenschaftler aus der Erforschung der Venusgeologie. Die Raumsonden, welche die Venus erreichten, haben eine bemerkenswerte Anzahl von wichtigen Erkenntnissen erbracht, auch wenn bisher noch keine direkten Bodenproben von der Venus gewonnen werden konnten. Die bisherigen Ergebnisse werfen aber auch neue Fragen auf, da die Oberflächenmerkmale der Venus sich durch unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Mechanismen erklären lassen.Auf der Venus sind drei prinzipielle Geländetypen vertreten, die jeweils auch auf der Erde vertreten sind. Diese drei Gruppen bestehen aus vulkanischen Regionen, Einschlagkratern und tektonisch gebildeten Regionen. Da man anhand der Erdähnlichkeit der Venus von einem vergleichbaren inneren Aufbau ausgeht — einem zähflüssigen Kern von etwa 3 000 km Durchmesser, einem zähflüssigen Mantel und einer vergleichsweise dünnen festen Kruste, die aber deutlich dicker ist als die irdische Gesteinskruste —, stellt sich die Frage, ob und welche von der Erde bekannten geologischen Prozesse auch die Oberfläche der Venus formten.Es gibt auf der Venus Regionen, die eindeutig durch vulkanische Aktivitäten geformt wurden. Aufgrund ihrer Größe kann man sie in drei Gruppen einteilen. Über 150 Schildvulkane (auf der Erde gehört beispielsweise der Mauna Kea auf Hawaii zu diesem Vulkantyp) erheben sich drei bis fünf Kilometer über das Umland und haben Durchmesser von mehr als 100 Kilometern. Über 300 vulkanisch hervorgerufene Aufwölbungen, Domes, und Einsenkungen, Calderas, besitzen Durchmesser im Bereich von 20 bis 100 Kilometern. Kleine Aufwölbungen, Schilde, messen zwischen zwei und zwölf Kilometer. Sie treten meist in Gruppen oder Feldern auf, die sich wiederum über größere Areale erstrecken, deren Fläche durchschnittlich 18 000 Quadratkilometer beträgt.Diese vulkanischen Regionen bezeugen, dass sich im Untergrund der Venus heiße Regionen befinden, die geschmolzenes Material an die Oberfläche bringen. Die auf dem Planeten gelandeten Venera-Sonden konnten zudem zeigen, dass die Oberfläche dort vor allem aus vulkanischem Gestein besteht, dessen chemische Zusammensetzung den irdischen Basalten ähnelt.Zahlreiche Lavaflüsse erstrecken sich über Hunderte von Kilometern, im Gegensatz zu nur wenigen Kilometern auf der Erde. Sie sind nicht immer mit Vulkanen assoziiert, scheinen also auch aus Rissen und Aufwölbungen der Venuskruste hervorgebrochen zu sein. Ihre große Länge bedeutet einerseits, dass sehr viel geschmolzenes Material aus dem Venusinneren hervorgequollen sein muss, andrerseits scheinen die Oberflächenbedingungen die Freisetzung von Gasen und das Erstarren zu behindern, sodass die Lava über sehr viel längere Zeiträume als auf der Erde flüssig bleibt. Hierzu tragen vermutlich in der Lava gelöste Salze bei, welche deren Schmelzpunkt deutlich herabsetzen.Raumsonden haben im Verlauf der 1980er-Jahre nachgewiesen, dass es auf der Venus auch heute vulkanisch aktive Gebiete geben muss: Der Schwefeldioxidgehalt in der Atmosphäre nahm zunächst zu, bald darauf aber allmählich wieder ab. Dieses Verhalten wird als Anzeichen eines Vulkanausbruchs gedeutet, der relativ kurz vor dem Eintreffen der Raumsonden stattgefunden haben muss.Tektonisch geformte GebieteAuffälligerweise existieren auf der Venus Oberflächenmerkmale, die üblicherweise durch tektonische Aktivitäten erklärt werden. Es handelt sich beispielsweise um Systeme von Bergketten und Gräben, Tesserae, deren Ausdehnungen zwischen 100 und 1 000 km schwankt. Auch Bergketten mit Hochlandplateaus — vergleichbar dem Himalaja und dem Hochland von Tibet — existieren. Andere Strukturen sind mit vulkanischen Regionen assoziiert und stellen Zerrungen, Stauchungen und Risse der Kruste dar, die bei Aufwölbungen oder Einsenkungen entstanden.EinschlagkraterAuf der Venus sind etwa 1 000 Krater bekannt, die eindeutig durch Meteoriteneinschläge entstanden. Da es auf der Venus kaum Wind und kein flüssiges Wasser gibt, finden dort auch so gut wie keine Erosionsprozesse statt, durch welche die Krater wie auf der Erde recht schnell eingeebnet werden. Daher kann man aus der Verteilung der Krater auf der Venusoberfläche deren Alter abschätzen. Die Größe der Einschlagkrater reicht von etwa 10 bis über 300 Kilometer. Kleinere Krater sind nicht bekannt, ein Hinweis darauf, dass derartige Meteorite in der dichten Venusatmosphäre verglühen, noch bevor sie den Boden erreichen. Aus Vergleichen mit dem Erdmond und Kleinplaneten nimmt man an, dass etwas mehr als ein größerer Einschlag pro Jahrmillion die Venus trifft — die Sonde Magellan zählte jedoch weniger als 1 000 Krater auf der gesamten Venusoberfläche. Dies bedeutet, dass vor 800 Millionen bis einer Milliarde Jahren die meisten oder alle bis dahin bestehenden Krater verschwunden sind und nur die seitdem entstandenen Krater heute erhalten sind.Das Fehlen der PlattentektonikInteressanterweise sind die Krater zufällig über den ganzen Planeten verteilt und zeigen keine besonderen Häufungen. Dies ist einer der deutlichsten Hinweise darauf, dass auf der Venus keine ausgeprägte Plattentektonik herrschen kann. Unter diesem Begriff versteht man einen komplizierten Kreislauf von Teilen der Erdkruste, welche in der Mitte der Ozeane gebildet werden, im Laufe vieler Millionen Jahre über die Erdoberfläche wandern, schließlich ins Erdinnere abtauchen und dort aufgeschmolzen werden. Derartige Prozesse hätten einen Teil der Krater zerstören müssen.Plattentektonische Prozesse bewirken einen effektiven Wärmetransport vom Erdinnern nach außen, physikalisch gesehen handelt es sich um Konvektion, wie sie auch — ungleich schneller — in kochendem Wasser abläuft. Die tektonischen Bewegungen auf der Erde führen zu einem beständigen, aber vergleichsweise »sanften« und jeweils regional konzentrierten Auftreten von Vulkanismus und Erdbeben.Wenn es bei der Venus keine gegeneinander beweglichen Platten in der planetaren Kruste gibt, sondern sich diese vielmehr nur als Ganze ausdehnen oder zusammenziehen kann, sollte es von Zeit zu Zeit zu heftigen und den ganzen Planeten betreffenden vulkanischen Aktivitäten kommen — der letzte solche globale Ausbruch fiele dann mit dem Auslöschen älterer Meteoritenkrater vor 800 Millionen Jahren zusammen. Zu dieser Theorie passen auch sehr große Systeme von Rissen und Grabenbrüchen in der Kruste der Venus, »Runzeln« (englisch: wrinkled ridges). Diese entstünden bei einer globalen Ausdehnung oder Schrumpfung der Venuskruste, vergleichbar mit den Rissen in einem sich abkühlenden Karamellbonbon.Geologische AktivitätAllerdings kann die geologische Aktivität der Venus seit der letzten Phase starker Aktivität nicht völlig zum Erliegen gekommen sein. Dagegen sprechen Befunde der Radarkartierung. »Raue« Oberflächen besitzen nämlich ein höheres Reflexionsvermögen für Radarwellen als glatte, die durch chemische Verwitterung und Abtragung aus Gesteinen entstanden sind. Demnach sind im Radarbild helle Gebiete vor wesentlich jüngerer Zeit entstanden als dunkle Gebiete. Auch die Hinweise auf aktuelle Vulkanausbrüche und die von Magellan gemessenen Schwerkraftanomalien weisen auf heutige geologische Prozesse hin.Ein Modell zur Erklärung des geologischen Geschehens auf der Venus geht davon aus, dass die Venusoberfläche seit ihrer tief greifenden Umgestaltung vor 800 (nach anderen Quellen 300—500) Millionen Jahren geologisch verhältnismäßig inaktiv geblieben ist. Die vorhandenen Vulkane und Aufwölbungen erklärt man durch Hotspots (wörtlich: heiße Punkte), dies sind Regionen, in denen heißes Material im Mantel der Venus aufsteigen, die Kruste allmählich aufschmelzen und als Vulkane, Aufwölbungen und Lavaströme in Erscheinung treten. Solche Gebiete gibt es auch auf der Erde, etwa unter Hawaii. Durch die Dehnung der Kruste im Umfeld dieser Regionen entstehen dabei Risse und Gräben. Ein entsprechendes Coldspot-Modell besagt, dass Risse und Gräben, aber auch Bergketten, durch nach unten sinkende Magmaströme im Mantel entstehen. Die dabei auftretenden Kräfte erzeugen Zug- und Druckspannungen in der Kruste, die zur Bildung der entsprechenden Oberflächenmerkmale führen.Eine offene Frage des Modells ist die tatsächliche Dicke der Venuskruste. Frühere Annahmen von etwa 30 Kilometern, die auf einer Analogie zur Erde beruhen, scheinen zu gering zu sein. Schätzungen und Messungen der Festigkeit des Krustenmaterials führen auf Werte, die eher über 75 Kilometer liegen und regional durchaus unterschiedlich ausfallen. Unter den hohen Bergketten sollte die Venuskruste noch dicker sein. Eine derartig dicke und feste Kruste würde die Ausbildung und Bewegung von Platten praktisch unmöglich machen, in Übereinstimmung mit den bisherigen Befunden.Insgesamt ersetzt man die fehlende Plattentektonik durch ein Modell des Venusmantels, das durch auf- und abwärts gerichtete Magmaströme gekennzeichnet ist. Dabei sammeln sich Spannungen und thermische Anomalien in der Kruste an und führen in großen Zeiträumen von 500 Millionen bis zu einer Milliarde Jahren zu einer globalen Umformung der Oberfläche. Dies steht wieder in Einklang mit dem trockenen Treibhausmodell, denn bei solchen Prozessen werden große Mengen an Kohlendioxid, aber auch Schwefeldioxid freigesetzt, die erst allmählich in chemischen Prozessen wieder abgebaut werden.Ist die Erde der Sonderfall?Nach allen gängigen Theorien zur Entstehung des inneren Sonnensystems sollten die Verhältnisse auf Erde und Venus bei ihrer Entstehung weitgehend identisch gewesen sein. Während aber auf den ersten Blick der Verlust von großen Teilen der ursprünglichen Wasservorkommen sowie der extreme Treibhauseffekt die Venus als »Sonderfall« erscheinen lassen, ist bei genauerem Hinsehen die Entwicklung auf der Erde viel bemerkenswerter verlaufen: Die geringere Masse der Erdatmosphäre ist nach einer von mehreren bekannten Modellvorstellungen zur Entstehung des Erdmonds durch einen gigantischen Meteoriteneinschlag zu erklären, bei dem nicht nur der Mond aus herausgeschleudertem Material der Erdkruste entstand, sondern auch große Teile der Uratmosphäre der Erde in den Weltraum entwichen sind. Dass die Ozeane der Erde nicht verdunstet sind, verdanken wir einem komplizierten Wechselspiel zwischen Prozessen, welche den Treibhauseffekt verstärken, und solchen, die ihn abschwächen. Nur wegen des Erhalts der Ozeane konnten diese große Mengen von Kohlendioxid speichern und somit aus der Atmosphäre entfernen, ebenso bringt die Umwälzung der Kontinentalplatten in Carbonatgestein gebundenes Kohlendioxid ins Erdinnere. Der erstaunlichste Prozess ist jedoch die Entstehung von Kohlendioxid in Sauerstoff umwandelnden Pflanzen, welche die heutige Zusammensetzung der Atmosphäre aus Stickstoff und Sauerstoff bewirkt haben. Nur das Ineinandergreifen all dieser Kreisläufe und Prozesse hat den Treibhauseffekt auf der Erde über Jahrmilliarden begrenzen können — umso bedrohlicher scheint eine vom Menschen verursachte Störung dieser empfindlichen Gleichgewichte zu sein: Die Verhältnisse auf der Venus zeigen, wie aus ähnlichen Anfangsbedingungen gänzlich unterschiedliche Lebensbedingungen auf einem Planeten werden können.Greene, Liz und Sasportas, Howard:Die inneren Planeten. Venus, Mars und Merkur in der Mythologie und im Horoskop. Aus dem Englischen. München 1995.Mertz, Bernd A.: Venus u. Merkur als Morgen- und Abendstern im Horoskop. Mössingen 1997.
Universal-Lexikon. 2012.